Gedicht 3: Sechzehnter Januar

Sechzehnter Januar. Es war in der letzten

Woche wie ein Zusammenbruch. Unmöglichkeit

zu schlafen, Unmöglichkeit zu wachen

Unmöglichkeit das Leben genauer die

Aufeinanderfolge des Lebens zu ertragen.

Die Uhren stimmen nicht überein.

Die Innere jagt in einer teuflischen oder

dämonischen, oder jedenfalls unmenschlichen

Art. Die Äussere geht stockend ihren

gewöhnlichen Gang. Was kann andres

geschehn als daß sich die zwei

verschiedenen Welten trennen und sie trennen

sich, oder reißen zu mindestens in einer

fürchterlichen Art. Die Einsamkeit die mir

zum größten Teil seit je

heraufgezwungen war zum Teil von mir gesucht

wurde, (doch was war auch dies andere als Zwang)

wird jetzt ganz unzweideutig und geht auf das

Äusserste wohin führt sie? Sie kann

dies scheint am zwingendsten zum Irrsinn führen.

Darüber kann nichts weiter ausgesagt werden.

Die Jagd geht durch mich und zerreißt mich.

Oder aber ich kann – sei es auch nur zum einzigsten

Teil mich aufrecht erhalten, lasse mich also von der Jagd

tragen. Wohin komme ich dann? Jagd ist ja nur ein

Bild – man kann auch sagen: Ansturm gegen die

letzte, irdische Grenze.

Franz Kafka
(* 03.07.1883, † 03.06.1924)