EINSAME FUGE
von Michael Donhauser

Datum: 24/03/2015

Uhrzeit: 20 h

Ort: Das Attico

Wenn Michael Donhauser, zuletzt mit den Variationen in Prosa von einem musikalischen Thema geleitet, sich anschickt, die Form der Fuge für seine Dichtung zu adaptieren, so sollte man hellhörig werden. Denn wird die Kunst der Fuge unter Komponisten für gewöhnlich als eine Art Fingerübung betrachtet, vergleichbar vielleicht der Kunst des Sonetts, hat Donhausers Unternehmung dem „arithmetischen Rechenbrett der Fuge“ (Nietzsche) eindeutig den Rücken gekehrt, ohne sich freilich ihrem formalen Anspruch zu entziehen.

„Zeitlich versetzt auf unterschiedlicher Tonhöhe“, heißt es, solle die Fuge ihr Thema weiter entwickeln; der Grundton müsse sich ändern, „um die Identität der Tonart zu gewährleisten“. Auf ähnlichen Prämissen fußt auch Michael Donhausers poetische Komposition, in der das Prinzip der auf sich beruhenden Veränderung bereits durch den äußeren Rahmen – die von Impressionen und Modulationen gesäumte Begleitung eines Flußlaufs über mehrere Abschnitte hinweg – vorgegeben ist. Doch in der Art, wie Donhauser die Silben in ihrer Klangqualität aufruft und sie in der Anordnung der Sequenz in die Tonqualität überführt, gibt er sich uneingeschränkt als Dichter zu erkennen. Mehr dem eigenen Gehörgang vertrauend als dem sprichwörtlichen roten Faden, fügt er „die Stimmen vieler Lieder, die sich mischen“ zu einem polyphonen poetischen Entwurf.

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wird im Plätschern bald verklingen, in dem Lispeln einer Silbe, was dann dämmernd wäre deutlich,

wäre näher noch als Not und erhört in einer Bitte, wenn sich teilt, umspült die Felsen oder

schneller wie vereint in die Dunkelheit entgleitet, in das Stumme schwacher Lichter, wo noch

bricht und etwas schäumt, etwas lautlos fernher toste als ein Echo, das bald horchte, Stimmen

träumte oder Bilder, die sich kreuzten, reihen werden und vereinzelt innig scheinen wie die Blätter

weißlich wankend, wenn ein Wind sie hebt, sie drehte, streichen wird entlang der Böschung, dass

sie bebt mit Gräsern, Farnen, oder war es, war es später, dass dann leise wird noch zittern,

liebender sich kündigt an, was bald weithin ist als Tal wie getaucht in ein Verglimmen:

(Aus: „Einsame Fuge“, in: Herbert Brandl: Schwarze Sulm. Wien, 2015)

©  Michael Teix

Michael Donhauser, geboren 1956 in Vaduz (F. Liechtenstein), studierte 1976 – 1983 Germanistik und Romanistik in Wien. Abschluss mit einer Arbeit zu den deutschen Übersetzungen von Charles Baudelaires „Fleurs du Mal“. Seit 1986 Veröffentlichungen von Gedichten sowie Erzählungen und einem Roman. Nach 1996 zudem essayistische Arbeiten unter anderem zur Poetik in Werken der Literatur und Kunst. Gelegentlich Übersetzungen aus dem Französischen (Arthur Rimbaud, Francis Ponge). Zuletzt erschienen: Schönste Lieder. Urs Engeler Editor. Weil am Rhein 2007; Nahe der Neige. Urs Engeler Editor. Weil am Rhein 2009; Variationen in Prosa. Matthes & Seitz Berlin. Berlin 2013. Michael Donhauser lebt in Wien.

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„…und also glüht da auf, was Musik werden will…“, Michael Donhauser